Damals in Kenia: Vor vierzig Jahren mit einem VW-Käfer durch Kenia und Tansania

Leseprobe

Heute soll es die versprochene Ziege geben. Ich erfahre es von Joyce, die mir beiläufig erzählt, dass die „Mbusi“ gerade geschlachtet würde. Neugierig geworden frage ich, wo die Schlachtung denn stattfände. Nachdem Joyce es mir erklärt hat, gehe ich zum beschriebenen Platz. Mehrere Männer sind gerade dabei, das Tier zu zerlegen. Als sie mich kommen sehen, werden ihre Mienen sehr ernst. Sie sagen etwas zu David, der gerade mit dem Rücken in meine Richtung steht. Er dreht sich um und kommt auf mich zu.

„Das ist Männersache“, sagt er entschuldigend, „Frauen dürfen nicht dabei sein. Das bringt Unglück.“

Etwas enttäuscht und beschämt ob meiner Unwissenheit marschiere ich wieder zurück zum Haus, wo sich einige Frauen bei Joyce getroffen haben und Mais pulen. Ich setze mich dazu und helfe ihnen. Ist eine ziemlich schmerzhafte Arbeit für meine ungeübten Finger, diese harten Maiskörner aus den trockenen Kolben zu schieben und zu drücken, bis sie heraus-fallen. Bei meinen Genossinnen geht das ganz schnell und leicht.

Während der Frauenarbeit plaudern wir ein wenig über die Gewohnheiten der Massai. Joyce hatte vier Jahre lang die Grundschule besucht und kann etwas Englisch, so dass wir uns auch ohne David einigermaßen unterhalten können.

Davids Brüder, noch drei an der Zahl, haben jeder drei Frauen. Jede Frau besitzt ihre eigene Hütte, in der der Ehemann sie besuchen kommt, wenn er bei ihr schlafen will. Dann kommen die Kinder meist zu einer der anderen Frauen, sodass das Paar ungestört sein kann.

„Ich möchte aber nicht, dass David außer mir noch andere Frauen heiratet“, sagt Joyce.

„Warum nicht?“, frage ich sehr interessiert.

„Weil es nicht erlaubt ist von Gott“, bekomme ich zur Antwort und dann fällt mir ein, dass Joyce auf eine christliche Schule gegangen ist.

„Aber ich möchte auch mein Haus nicht mit einer anderen teilen“, ergänzt meine Gastgeberin ihren Wunsch.

So sehe ich hier, mitten durch die Familie, den Kulturriss sich öffnen, der da langsam schleichend das Alte vom Neuen zu trennen beginnt. David lebt mit seiner Familie in einem Steinhaus. Die Küche ist ein Extragebilde, allerdings noch, wie in den Kuhdunghütten auch, mit offener Feuerstelle in der Mitte des Raumes – ohne Rauchabzug. Das alles teilt man freilich nicht gerne. Eine weitere Frau mit selbst gebauter Kuhdunghütte würde die soziale Gleichheit empfindlich stören. Es würde unweigerlich zu Spannungen kommen. Für ein zweites Steinhaus mit Extraküchenhaus würde aber das Geld niemals reichen, schon gar nicht könnte eine Massaifrau selbst so etwas „stemmen“.

Die ursprünglichen Beziehungen sind zwar sicher auch nicht hundertprozentig ohne Spannungen und Neid, aber die Frauen sind wenigstens sozial alle auf ziemlich gleichem Niveau. Sie helfen sich gegenseitig, kümmern sich gemeinsam um Vieh und die Kinder, und wie ich hier erlebe, lachen und scherzen sie auch sehr viel miteinander.

Während wir da so sitzen und pulen, kommt ein starker, kurzer Wind auf. Es ist eine kleine Windhose, die einige Teile einer frisch begonnenen Kuhdunghütte hochwirbelt. Da fliegt sie auf und dahin, die Arbeit mehrerer Frauen vom Vortag. Begleitet inzwischen vom lauten, herzlichen Lachen der Maispulerinnen, deren Arbeit da gerade anmutig durch die Luft gewirbelt wird. Sie zeigen mit den Fingern auf die wirbelnden Teile und biegen sich vor Lachen.

Man stelle sich eine ähnliche Situation bei uns in Deutschland vor!!